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Ein neuer Durchbruch in der Krebsbehandlung

Die Neutralisierung von GDF-15 könnte ein vielversprechender therapeutischer Ansatz für Patienten sein, die an bestimmten Krebsarten wie dem Melanom leiden

03 August 2023 4minuten

Ein internationales Forscherteam, dem auch Prof. Michel Mittelbronn, Leiter des Nationalen Zentrums für Pathologie am Laboratoire Nationale de Sante und des Luxembourg Centre of Neuropathology am Luxembourg Institute of Health (LIH) angehört, hat bei bestimmten Tumoren einen wichtigen Abwehrmechanismus aufgedeckt, der sie resistent gegen eine Behandlung macht. Dank solcher Fortschritte werden die derzeitigen Immuntherapien eine wesentlich höhere Erfolgschance haben. Um Krebs wirksam bekämpfen zu können, muss man besser verstehen, wie sich bösartige Zellen schützen.


Krebszellen und das Zytokin GDF-15

In ihrer kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichten Arbeit (siehe Nat Commun. 2023 14 :4253) konnten die Forscher zeigen, wie Krebszellen den Zugang zu unserem Immunsystem blockieren. „Ein bösartiger Tumor ist ein Fremdkörper, den unser Körper normalerweise erkennen und zerstören kann. Wir tragen die ganze Zeit Krebszellen in unserem Körper, aber unser Immunsystem kümmert sich um sie„, erklärt Prof. Mittelbronn, der auch ein Forschungsteam am Luxembourg Centre for Systems Biomedicine der Universität leitet. „Das Zytokin GDF-15 hingegen deaktiviert diese Immunantwort“.

Mithilfe von Mausmodellen, pharmakologischen In-vitro-Studien und Analysen von Melanompatienten konnten die Forscher herausfinden, wie GDF-15 funktioniert. Dieses Protein wird von soliden Tumoren, wie sie bei Melanomen, Leber- und Blasenkrebs vorkommen, reichlich ausgeschüttet. Es hindert die Infanterie unseres Immunsystems – die berühmten T-Lymphozyten – daran, in die Läsion einzudringen. Die T-Lymphozyten werden über den Blutkreislauf transportiert. Damit sie den Tumor verlassen und angreifen können, müssen sie sich zunächst an der richtigen Stelle an den Wänden der Blutgefäße festsetzen. GDF-15 verhindert dies. Mit anderen Worten: Unsere Truppen verpassen ihre Haltestelle, weil der Feind die Straßenschilder demoliert hat.

Die wenigen Soldaten, die es schaffen, ihr Ziel zu erreichen, geraten durch GDF-15 zusätzlich in einen Zustand irreparabler Erschöpfung und sind völlig unfähig, ihre Aufgabe zu erfüllen.

Es besteht eine hochsignifikante negative Korrelation zwischen der GDF-15-Expression und der Anzahl der T-Lymphozyten in der Tumorumgebung. Auffällig sind auch die Überlebenskurven: Patienten mit einer hohen GDF-15-Expression sterben deutlich früher

sagt Prof. Mittelbronn.

Wie können diese neuen Erkenntnisse über GDF-15 zur Verbesserung der Immuntherapie genutzt werden?

PD-1 (für Programmed cell Death protein) ist ein Protein auf der Oberfläche von T-Lymphozyten, das mit einem anderen Protein namens PD-L1 (L für Ligand) interagiert, welches auf der Oberfläche von Tumorzellen vorhanden ist. Diese Wechselwirkung ist alles andere als vorteilhaft. PD-L1 imitiert einen sogenannten Immun-Checkpoint, eine Art zellulären Ausweis, der die T-Lymphozyten daran hindert, nicht krebsartige Zellen anzugreifen. Indem sie diese falsche Identität schaffen, setzen Krebszellen die T-Lymphozyten außer Gefecht.

Das Ziel der derzeitigen Anti-PD1/Anti-PD-L1-Immuntherapie ist es, dies zu verhindern. Solange jedoch GDF-15 produziert wird, gibt es wenig Hoffnung auf Erfolg, da die T-Lymphozyten ihr Ziel gar nicht erreichen und selbst wenn sie es erreichen, werden sie nutzlos gemacht. Da GDF-15 in etwa 50 % der soliden menschlichen Tumore in hohem Maße überexprimiert wird, könnte seine Blockierung erhebliche Auswirkungen auf die Effizienz der Immuntherapie haben.

Was die möglichen Nebenwirkungen angeht, erklärt Prof. Mittelbronn: „Diese Art von Therapie könnte durch die Aktivierung unseres Immunsystems Autoimmunreaktionen hervorrufen, aber klinische Studien werden uns mehr darüber sagen. Es wird wichtig sein, die Patienten sorgfältig auszuwählen. Die Anti-GDF-15-Therapie eignet sich nur für Patienten mit einer hohen Zytokin-Überexpression in der Tumorumgebung.“

Kann die Aktivierung von T-Lymphozyten alle Arten von Krebs heilen?

„Das kommt darauf an„, erklärt Prof. Mittelbronn. „Hirntumore zum Beispiel sind nicht sehr immunogen, das heißt, das Immunsystem erkennt sie nicht unbedingt als Bedrohung, und die T-Zell-Antwort spielt in solchen Fällen eine untergeordnete Rolle. Melanome hingegen lösen eine starke Immunreaktion aus, da sie der Sonne ausgesetzt sind, was zu umfangreichen DNA-Schäden und Zellmutationen führt. Oft werden sie beseitigt, bevor wir es überhaupt merken. Die Rolle der T-Lymphozyten bei diesen Krebsarten ist daher von entscheidender Bedeutung, und das Ansprechen auf eine Anti-GDF-15-Therapie könnte sensationell sein.“

Scientific Contact

  • Michel
    Mittelbronn

    Head of the Luxembourg Centre of Neuropathology

    Contact

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