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Pressemitteilung

Auf den Grund der intestinalen Immunabwehr  

LIH-Studie enthüllt die Schlüsselrolle von Antioxidantien und Stoffwechsel bei der Immunabwehr im Darm  

07 August 2024 7minuten

In einer revolutionären neuen Studie enthüllte die Forschungsgruppe von Professor Dirk Brenner aus der Abteilung für Infektion und Immunität (DII) am Luxembourg Institute of Health (LIH) die wesentliche Rolle von Antioxidantien, die von Immunzellen produziert werden, beim Schutz vor bakteriellen Infektionen, die den Magen-Darm-Trakt betreffen. Diese erstmals erzielten Ergebnisse, die neue therapeutische Strategien für Magen-Darm-Erkrankungen eröffnen, welche auf der Modulation des Immunzellstoffwechsels beruhen, wurden in der renommierten Fachzeitschrift Cell Metabolism veröffentlicht und aufgrund ihrer Bedeutung als Titelgeschichte für die August-Ausgabe ausgewählt.


Der menschliche Körper weist spezielle Immunzellen auf, die als T-Helferzellen (Th) bezeichnet werden und für die Vermittlung wirksamer Immunreaktionen unerlässlich sind. Ein Typ von Th-Zellen, bekannt als Th17, spielt eine wichtige Rolle beim Schutz der Auskleidung des Magen-Darm-Trakts (GI), indem er hilft, die „freundlichen“ Bakterien im Darm im Gleichgewicht zu halten und gleichzeitig schädliche Keime abzuwehren. Diese Immunzellen produzieren eine Substanz namens Interleukin 22 (IL-22), die die Freisetzung von Proteinen auslöst, welche schädliche Mikroben abtöten und die Darmschleimhaut vor Schäden durch bestimmte Bakterien schützen. Dies trägt dazu bei, die Darmbarriere stark und gesund zu halten und unser allgemeines Wohlbefinden sicherzustellen. Die Ansammlung von reaktiven Sauerstoffradikalen (ROS), allgemein bekannt als oxidativer Stress, trägt bekanntermaßen erheblich zu entzündungsbedingten Erkrankungen im Darm bei. Die Forscher am LIH konzentrierten sich insbesondere darauf, wie sich T-Zellen vor diesen schädlichen Molekülen schützen und wie dies den Ausgang von Magen-Darm-Infektionen beeinflusst.

Eine beschädigte und übermäßig durchlässige Darmschleimhautschicht ist das Kennzeichen einer entzündlichen Darmerkrankung (IBD). T-Zellen sind wichtig für den Schutz unserer Schleimhautoberflächen, reagieren jedoch empfindlich auf akkumulierten oxidativen Stress, weshalb antioxidativ vermittelte Abwehrmechanismen im Kampf gegen dieses lähmende Syndrom von äußerstem Interesse sind. Unser Ziel war es daher, Licht in diese derzeit noch wenig verstandenen Prozesse zu bringen“, sagt Prof. Dirk Brenner, Leiter der experimentellen und molekularen Immunologie am DII und Leiter der Studie.

Um übermäßigen oxidativen Stress zu neutralisieren, produzieren T-Zellen antioxidative Moleküle, um ihr oxidatives Gleichgewicht und ihre Funktion im Magen-Darm-Trakt aufrechtzuerhalten. Mithilfe eines ausgeklügelten genetischen Ansatzes entschlüsselten die Wissenschaftler einen komplexen Mechanismus, der die Kontrolle dieser reaktiven Moleküle mit der Regulierung des intrazellulären Stoffwechsels verbindet, der für die Schutzfunktion der Th17-Zellen im Darm von entscheidender Bedeutung ist. „Unsere Studie trägt wesentlich zum Verständnis bei, wie Umweltveränderungen, die oft mit der Ansammlung von oxidativem Stress verbunden sind, den Stoffwechsel von Immunzellen verändern und ihre Schutzfunktionen beeinträchtigen können“, erklärt Prof. Brenner. „Einfacher ausgedrückt haben wir aufgedeckt, wie diese darmschützenden Zellen unter Stress funktionieren. Das Verständnis dieser komplexen Mechanismen ist von entscheidender Bedeutung, da wir in allen modernen Gesellschaften mit einem deutlichen Anstieg von Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen konfrontiert sind“.

Die Studie ergab, dass eine bakterielle Infektion im Darm in Abwesenheit von Antioxidantien in T-Zellen oxidativen Stress auslöste, der die Funktion der Mitochondrien – der Energiefabriken der Zelle – störte, was zu einer verringerten Energieproduktion führte. „Im Prinzip geht unseren schützenden T-Zellen ohne Antioxidantien der Treibstoff aus – in Situationen, in denen sie Treibstoff brauchen, um ihre Schutzfunktion auszuführen“, erklärt Dr. Lynn Bonetti, ehemalige Doktorandin in Prof. Brenners Gruppe am LIH und Erstautorin der Studie. Dies wiederum beeinträchtigte eine Reihe weiterer zellulärer Reaktionen und führte letztendlich zu einer verringerten Produktion bestimmter Immunmodulatoren durch Th17-Zellen als Reaktion auf eine bakterielle Infektion. Das Ergebnis war eine schlechte Fähigkeit, den Erreger abzutöten, mit der Folge verstärkter Schäden an der Darmschleimhaut, Entzündungen und in der Folge einer hohen Sterblichkeit in präklinischen Modellen. „Die Kontrolle von oxidativem Stress und mitochondrialem Stoffwechsel, die mit den intrazellulären Prozessen verbunden sind, die zur Sekretion von Schutzmolekülen wie IL-22 durch Th17-Zellen führen, ist für die Aufrechterhaltung der Darmintegrität von entscheidender Bedeutung. Wenn diese Prozesse durch Umweltfaktoren wie oxidativen Stress beeinträchtigt werden, geht diese Schutzfunktion verloren, was zu einer Durchlässigkeit des Darms  führt. Diese erhöhte Darmdurchlässigkeit ermöglicht es Bakterien, sich im gesamten Körper auszubreiten, was möglicherweise zu einer Sepsis führt“, erklärt Prof. Brenner. „Tatsächlich konnten wir im Einklang mit unseren Erkenntnissen die Infektion behandeln, indem wir IL-22 entweder direkt verabreichten oder indem wir IL-22 in T-Zellen genetisch rekonstruierten, was zur Beseitigung der Infektion beitrug und Darmschäden verhinderte“, fügte Dr. Bonetti hinzu.

Diese Erkenntnisse haben wichtige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Tatsächlich ist bekannt, dass eine beeinträchtigte Darmbarrierefunktion, erhöhter oxidativer Stress und eine verringerte antioxidative Kapazität mit chronischen Entzündungen bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa in Verbindung stehen. In diesem Zusammenhang zeigte das Forschungsteam durch die Analyse von Daten von Patienten mit Colitis ulcerosa außerdem, dass die Integrität der Darmschleimhaut durch Antioxidantien positiv beeinflusst wird, und lieferte damit Beweise für die Erforschung einer antioxidativen Behandlung als Strategie zur Regulierung der von Th17 stammenden IL-22-Produktion bei GI-Erkrankungen.

Unsere Forschung hebt einen kritischen, aber bisher übersehenen Zusammenhang zwischen von Th17-Zellen produzierten Antioxidantien, der Mitochondrienfunktion und der Produktion schützender Immunmodulatoren wie IL-22 für eine optimale Darmgesundheit und den Schutz vor Darminfektionen hervor. Sie zeigt auch, wie leichte Beeinträchtigungen der Mitochondrien zu schädlichen physiologischen Folgen führen können. Das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Stoffwechsel und Immunzellfunktion eröffnet spannende neue Wege zur Behandlung entzündlicher Magen-Darm- und Autoimmunerkrankungen

schlussfolgert Prof. Brenner, dessen Forschungsgruppe zu den führenden Laboren auf dem innovativen Gebiet des Immunmetabolismus in Europa gehört.

Die Studie wurde in der Augustausgabe 2024 von Cell Metabolism mit dem vollständigen Titel „ A Th17 cell-intrinsic glutathione/mitochondrial-IL-22 axis protects against intestinal inflammation“ veröffentlicht.

Finanzierung und Kooperationen

Die Forschung wurde in Zusammenarbeit mit dem Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB); der Universität Luxemburg; dem Laboratoire National de Santé (LNS); der Universität Zürich (Schweiz); dem Center for Fundamental Immunology, Benaroya Research Institute (USA); der Yale School of Public Health (USA); dem Wilmot Cancer Institute, University of Rochester Medical Center (USA); der Universität Düsseldorf (Deutschland); und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Deutschland) durchgeführt. Es wurde vom Luxembourg National Research Fund (FNR) durch mehrere FNR-ATTRACT-, FNR-CORE-, FNR-PRIDE-, FNR-PEARL- und FNR-RIKEN-Stipendien, von der Fondation Cancer Luxembourg, durch FNRS-Televie-Stipendien sowie von zahlreichen anderen renommierten internationalen Finanzierungseinrichtungen finanziert. 

Über das Luxembourg Institute of Health: Research dedicated to life

Das Luxembourg Institute of Health (LIH) ist ein öffentliches biomedizinisches Forschungsinstitut, das sich auf Präzisionsmedizin ausrichtet, mit dem Ziel eine führende Referenz in Europa für die Umsetzung wissenschaftlicher Spitzenleistungen in einen greifbaren Nutzen für Patienten zu werden.

Das LIH stellt den Patienten in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten. Angetrieben von der gemeinschaftlichen Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, sollen Wissen und Technologien, die aus der Forschung an patienteneigenen Daten stammen, genutzt werden, um einen direkten Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung zu haben. Seine engagierten Teams aus multidisziplinären Forschern streben nach Exzellenz und generieren relevantes Wissen im Zusammenhang mit immunbezogenen Krankheiten und Krebs.

Das Institut setzt auf Kooperation, zukunftsweisende Technologien und Prozessinnovationen als einzigartige Möglichkeiten zur Verbesserung der Anwendung von Diagnostika und Therapeutika mit dem langfristigen Ziel, Krankheiten vorzubeugen.

Scientific Contact

  • Dirk
    Brenner
    Group Leader, Experimental & Molecular Immunology

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Press Contact

  • Arnaud
    D’Agostini
    Head of Marketing and Communication

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