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Ein Apfel am Tag: Eignet sich die Ernährung zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen?              

28 September 2021 5minuten

Richtige Ernährung als Instrument zur gezielten Beeinflussung des Mikrobioms im Darm für Behandlung und Vorbeugung von Autoimmunerkrankungen

Autoimmunerkrankungen sind typisch für viele moderne Gesellschaften. Maßgeblich für ihr Auftreten und ihre Zunahme sind eine gestörte Funktion der Darmbarriere und ein Zusammenbruch der normalen Wechselwirkungen zwischen Wirt und Mikrobiom. In bisherigen Therapien für Autoimmunerkrankungen wird der Einfluss des Darmmikrobioms auf Krankheitserreger nicht berücksichtigt, was ihre Wirksamkeit gegen das Fortschreiten der Krankheit begrenzen könnte. Eine Kooperation zwischen dem Luxembourg Institute of Health (LIH) und der University of Michigan Medical School in den USA unter Leitung von Prof. Desai vom LIH hat zur Veröffentlichung eines umfassenden „Perspective“-Artikels in der renommierten Fachzeitschrift Nature Reviews Gastroenterology and Hepatology geführt. Darin wird der Standpunkt vertreten, dass neue Ansätze in der personalisierten Medizin ernährungsunterstützte Instrumente zur gezielten Beeinflussung des Mikrobioms einbeziehen sollten, um das Mikrobiom präzise in Richtung eines krankheitsresistenten, homöostatischen Zustands zu verändern.  

Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, Diabetes mellitus Typ 1, rheumatoide Arthritis und chronisch-entzündliche Darmerkrankung sind dadurch gekennzeichnet, dass das Immunsystem fälschlicherweise gesunde Wirtszellen angreift. In den letzten Jahrzehnten sind die Fallzahlen von Autoimmunerkrankungen stark angestiegen, und während sie sich in den Industrieländern inzwischen stabilisiert haben, ist nun in den aufstrebenden Schwellenländern ein ähnlicher Anstieg zu beobachten. Diese Muster verdeutlichen die weltweite Belastung des öffentlichen Gesundheitswesens sowie die bedeutende Rolle nichtgenetischer Faktoren als Auslöser einer Autoimmunerkrankung. Nach allgemeiner Auffassung wird das Auftreten und Fortschreiten dieser multifaktoriellen Störungen durch die genetische Veranlagung, äußere Einwirkungen (z. B. Ernährung oder Exposition gegenüber Krankheitserregern) und das Mikrobiom beeinflusst. Die vorhandenen Behandlungen zielen hauptsächlich darauf ab, die Immunantwort zu dämpfen, was aufgrund des potenziell höheren Infektions- oder Krebsrisikos problematisch sein kann.

Ein Kooperationsprojekt zwischen dem Luxembourg Institute of Health (LIH) und der University of Michigan Medical School in den USA unter Leitung von Prof. Mahesh Desai, Leiter der Forschungsgruppe Ecoimmunology and Microbiome im Department of Infection and Immunity des LIH, hat vor kurzem einen Perspective-Artikel in der renommierten Fachzeitschrift Nature Reviews Gastroenterology and Hepatology veröffentlicht. In diesem Artikel untersuchen die Autoren diätetische Maßnahmen zur gezielten Beeinflussung des Mikrobioms im Darm und erörtern das Potenzial ernährungsbasierter Therapien für die Modulation der Wechselwirkung zwischen Wirt und Mikrobiom bei der Prävention, Behandlung und Aufrechterhaltung der Heilung von Autoimmunerkrankungen.

Tatsächlich wurde bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen eine durch Mikroorganismen gesteuerte Fehlregulation der adaptiven Immunantwort beobachtet. Bei Patienten, die unter Multipler Sklerose litten, wurden beispielsweise höhere Werte für immunogene Bakterien (d. h. Bakterien, die zur Auslösung einer Immunreaktion in der Lage sind) festgestellt, von denen angenommen wird, dass sie Fehlfunktionen des Immunsystems beitragen. Es wird vermutet, dass eine Beeinträchtigung der Barrieren im Magen-Darm-Trakt, die eine Vermittlungsfunktion bei der Wechselwirkung zwischen den Immunzellen des Wirts und den Mikroorganismen im Darm erfüllen, das Gleichgewicht in Richtung eines stärker gegen sich selbst reagierenden Immunsystems kippen lassen kann.

Der Artikel hebt hervor, in welcher Weise die Ernährung bedeutende und direkte Auswirkungen auf das Mikrobiom im Darm hat: Der Verzehr bestimmter pflanzlicher Ballaststoffe, Proteine, Fette und probiotischer Lebensmittel bzw. die Anwendung von Ausschluss- oder Eliminationsdiäten verändern die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm und der Stoffwechselprodukte in einer Weise, welche eine Erkrankung begünstigen oder einen homöostatischen Zustand fördern kann. Die weitere Verfeinerung diätetischer Interventionen könnte bedeutende Auswirkungen auf die Therapietreue der Patienten und den Krankheitsverlauf haben. Wenn demnächst verfügbare Forschungen dafür genutzt werden könnten, maßgeschneiderte Ernährungspläne entsprechend dem genetischen Hintergrund, der Zusammensetzung oder Funktion der Mikroorganismen oder andren individuellen Faktoren zu erstellen, kann damit möglicherweise die Remissionsdauer z. B. bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung verlängert werden. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Anpassung der Ernährung und die anschließende gezielte Beeinflussung des Mikrobioms – auch als „Mikrobiom-Engineering“ bezeichnet – als Ergänzung zu bestehenden Behandlungen von Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden könnten, um die therapeutische Wirksamkeit zu verstärken.

Patienten, bei denen verschiedene Autoimmunerkrankungen diagnostiziert werden, weisen gemeinsame Merkmale des Darmmikrobioms auf, die sich von einer gesunden Kontrollgruppe unterscheiden. „Um diese Beobachtung nutzen zu können“, erklären die beiden Erstautoren Mathis Wolter und Erica Grant, Doktoranden in der Gruppe von Prof. Desai, „stehen einige neue Technologien zur Verfügung, die darauf abzielen, das Darmmikrobiom in Richtung eines funktional gesunden Zustands zu manipulieren. Dies geschieht, indem Bakterien mit neuen oder verloren gegangenen nützlichen Funktionen eingebracht oder aber Bakterien mit schädlichen Funktionen entfernt werden. Eine Untergruppe dieser Techniken, beispielsweise Stuhltransplantation (fäkale Mikrobiota-Transplantation) oder das sogenannte „orthogonal niche engineering“ (Anwendung einer nicht zur üblichen Ernährung gehörenden Ressource, z. B. Meeresalgen, die eine spezifische Nische für einen eingeführten Mikroorganismus schaffen), bieten ein hohes Potenzial für die Anwendung in Kombination mit bestimmten Diäten oder als Nahrungsergänzung, um die Begrenzungen dieser Maßnahmen zu überwinden bzw. ihre Wirkung möglicherweise zu verstärken. Die Ergänzung dieser Techniken durch spezielle Diäten fügt eine weitere modifizierbare Variable hinzu, mit der das System möglicherweise noch genauer kontrolliert werden kann und die eine bessere Berücksichtigung des individuellen Ansprechens auf herkömmliche Therapien von Autoimmunerkrankungen ermöglicht.“

Durch die Umsetzung von Konzepten der Präzisionsmedizin und durch das Verständnis der Mechanismen, die den Erkrankungen zugrunde liegen, können wir den Erfolg bestehender Behandlungen verbessern. Wir stehen an der Schwelle zum Zeitalter des Mikrobiom-Engineerings, doch um diesen Übergang effektiv zu gestalten, müssen wir der Forschung zum personalisierten Ansprechen auf diätetische Interventionen und zu den genauen Mechanismen, wie das Mikrobiom beeinflusst werden kann, hohe Priorität einräumen,

fasst Prof. Desai, Senior Author des Artikels, zusammen.
 

Scientific Contact

  • Prof Mahesh
    Desai
    Head of the Ecoimmunology and Microbiome research group

    Department of Infection and Immunity Luxembourg Institute of Health

    Contact

Full article: https://rdcu.be/cywDN

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